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Schlaf – was ist das?
Wissenswertes über den Schlaf
Um den Schlaf ranken sich seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte allerlei Mythen. Mit dem faszinierenden Phänomen setzten sich seinerzeit schon wissenschaftliche Koryphäen wie Nikola Tesla, Thomas Edison und Leonardo da Vinci auseinander. Vor langer Zeit brachte Letzterer das Geheimnisvolle und Paradoxe am menschlichen Schlaf mit einer raffinierten Aussage auf den Punkt: „Was ist das? Der Mensch wünscht es sich herbei, und wenn er es endlich hat, lernt er es nicht kennen.“
Der Schlaf blüht in der Regel im Verborgenen. Trotz aller Mühen und Anstrengungen wird uns Menschen die bewusste Wahrnehmung des Schlafes niemals vergönnt sein. Und dennoch nimmt der Schlaf eine Schlüsselrolle in unseren verhältnismäßig kurzen Leben ein. So fristet ein jeder von uns im Schnitt ein Drittel seiner Lebenszeit im Schattendasein des Schlafs. Dabei ist Schlaf für uns so selbstverständlich wie der morgendliche Sonnenaufgang. Die meisten von uns schenken ihm keine Beachtung, insofern er in gewohnter Regelmäßigkeit für eine erholsame Ruhe sorgt.
Leider bleibt der Traum einer gesunden Schlafroutine für zahlreiche Menschen ein Luftschloss – knapp jeder dritte Einwohner der westlichen Industrienationen leidet bereits an Schlafstörungen. Die Hintergründe für eine derartige Prävalenz sind vielfältig und reichen von psychischen Überlastungen über psychosoziale Probleme bis hin zu nächtlichen Atemstörungen.
Schon die Denker und Genies der vergangenen Jahrhunderte pflegten ein abstraktes Verhältnis zum Schlaf und verdanken mitunter ihren Gepflogenheiten partiell ihre gewaltige Schaffenskraft. Auch die westliche Medizin wurde auf die Bedeutung unseres allnächtlichen Begleiters aufmerksam. Allein im letzten halben Jahrhundert gewannen Forscher bahnbrechende Erkenntnisse über die Grundlagen des Schlafs sowie seinen massiven Einfluss auf den menschlichen Organismus und seine Gesundheit. Überdies wächst das Bewusstsein über den Zusammenhang zwischen Zivilisationskrankheiten und Schlafstörungen. Auch die WHO (Weltgesundheitsorganisation) klärt darüber auf, wie relevant ein erholsamer und gesunder Schlaf für uns Menschen wirklich ist.
Was passiert im Körper?
Der Schlaf ist für unser allgemeines Wohlbefinden und die Regenerationsfähigkeit des Körpers sowie unsere seelische und körperliche Erholung eine essenzielle Komponente. Unser gesamter Körper kommt während des Schlafs zur Ruhe. So sinkt der Blutdruck, während sich die Herzfrequenz und unsere Körpertemperatur herunterfahren. Auch die Atmung wird flacher, langsamer und gleichmäßiger.
Erst während der REM-Schlafphase treten charakteristische Änderungen dieser Norm ein. Stärkere Ausschläge des Pulses sind während dieser Phase gewöhnlich, der Blutdruck steigt, die Atmung erfolgt sporadischer. Auch die Durchblutung des zentralen Nervensystems und der Geschlechtsorgane nimmt zu.
In der Nacht finden zahlreiche lebensnotwendige Prozesse in unserem Körper statt. Der Schlaf wirkt sich regulierend auf den Hormonhaushalt des Körpers aus. So steigt die Blutkonzentration des Hormons Renin, ein fundamentales Element zur Aufrechterhaltung der Nierenfunktion, über die ersten Stunden des Schlafs auf seinen Höhepunkt an. Auch die körpereigene Synthese von Wachstumshormonen, welche den Fettabbau fördern und den Insulinspiegel regulieren, läuft während dieses Zeitpunkts beschleunigt ab. Das Stresshormon Kortisol hingegen sinkt auf einen Tiefstand und steigt erst gen frühen Morgenstunden erneut an. Die Schlafphysiologie beschränkt sich somit unter keinen Umständen auf eine reduziertes Wahrnehmungsvermögen, sondern beherbergt komplexe Zusammenspiele diverser, essenzieller Körperfunktionen.
Wie auch der Körper die nächtliche Ruhe zur Erholung nutzt, zieht auch der Geist seine Benefits aus dem Schlaf: Der wache Verstand tauscht seinen Platz mit Träumen zur Verarbeitung von Ereignissen und Gelerntem.
Wachen und Schlafen
Der Schlaf ist für uns Menschen so wichtig wie die Luft zum Atmen. Der tägliche Schlaf dient der Erholung und Einsparung von Energie. Während wir schlafen, ändert sich die Funktionsweise des Körpers rapide. Verschiedene Körperteile, die einer starken Beanspruchung während des Tages ausgesetzt sind, kommen während des Schlafs nicht mehr zum Einsatz. Während wir beispielsweise in Wachphasen neue Erfahrungen sammeln und Wissen anhäufen, verarbeitet das Gehirn die am Vortag angesammelte Datenmassen während der Schlafphase: Gelerntes wird abgespeichert, Irrelevantes aussortiert.
Der Schlaf unterliegt dabei dem zirkadianen Rhythmus. Er definiert die Fähigkeit eines Organismus zur Synchronisierung physiologischer Vorgänge auf eine Periodenlänge, welche etwa 24 Stunden entspricht. Der Schlaf-Wach-Rhythmus ist der wichtigste uns bekannte zirkadiane Rhythmus. Er ist weitgehend unabhängig von äußeren Faktoren und dient der zeitlichen Orientierung sowie der Ausführung periodisch durchgeführter Aktivitäten wie der Fortpflanzung oder Nahrungsaufnahme in einem gleichbleibenden Rhythmus.
Zahlreiche Körperfunktionen werden von der zirkadianen Periodik reguliert. Hierzu zählt mitunter der Hormonhaushalt. So produziert der Körper beispielsweise in den ersten Schlafstunden vermehrt Wachstumshormone. Kurz vor dem Aufwachen hingegen steigt die zuvor abgefallene Blutkonzentration des Stresshormons Kortisol erneut an.
Die Anpassung und Synchronisation gewährleisten photosensitive Rezeptoren in der Retina. Eine Schlüsselrolle bei der Koordination der zirkadianen Rhythmik spielt das Pigment Melanopsin. Der Hypothalamus beherbergt die Schaltzentrale der zirkadianen Uhr – unsere Innere Uhr -, die verschiedene Körperfunktionen wie die Herzfrequenz, die Hormonsekretion, die Körpertemperatur oder den Blutdruck reguliert. Sie beeinflusst auch das Bedürfnis nach Schlaf, etwa durch die Regulierung der Körpertemperatur. Während des Schlafes sinkt sie stetig. Steigt sie gegen Anbruch des Morgens wieder an, nimmt die Schlafbereitschaft ab: Man wacht auf.
Wachen und Schlafen stehen somit wie Tag und Nacht in einem wechselseitigen Zusammenhang zueinander. So wie auch unsere Wachphasen, sind auch unsere Schlafphasen einer Periodik unterworfen. Verschiedene Körperfunktionen lassen sich durch eine Polysomnographie messen, wodurch sich die einzelnen Schlafphasen ableiten lassen.
Die Innere Uhr
Unsere Innere Uhr ist für die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich. Eine Schlüsselrolle spielt hierbei das in der Zirbeldrüse produzierte Schlafhormon Melatonin. Als innerer Taktgeber sorgt es für Leistungsspitzen und Tiefpunkte während unserer Wachphasen. Wer im Einklang mit seinem natürlichen Rhythmus lebt, lebt gesünder. So ließ sich durch Studien nachweisen, dass kurze Schlafpausen – sogenannte Powerschläfchen – das Potential zur drastischen Leistungssteigerung am Arbeitsplatz besitzen.
Mehr zu diesem Thema erfährst du in unserem Ratgeber „Innere Uhr“
Die Schlafstadien
Unser Schlaf ist aufgeteilt in verschiedene aneinandergereihte Schlafphasen. Die periodische Aufeinanderfolge von Tiefschlaf, Traumschlaf und Leichtschlaf ist Grundlage für die körperliche und geistige Regeneration. Die verschiedenen Phasen besitzen ihre jeweils eigenen Charakteristika und lassen sich von Schlafmedizinern durch die Ablesung und Auswertung der Gehirnströme bestimmen. Von besonderer Relevanz ist hierbei die REM-Schlafphase, die sich durch ruckartige Augenbewegungen kennzeichnet und Menschen besonders intensive Träume beschert.
Wie viel Schlaf braucht der Mensch?
Wie viel Schlaf benötigt der Mensch zur Aufrechterhaltung seiner geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit wirklich? Seit Jahren ist diese Frage Teil kontroverser Diskussionen in der Fachwelt, eine pauschale Antwort lässt sich nicht geben. Das Schlafbedürfnis verschiedener Individuen variiert stark. Laut Erkenntnissen aus der Schlafforschung gilt eine Schlafdauer zwischen sechs und acht Stunden als optimal – Ausnahmen bestätigen die Regel. Das Genie Albert Einstein soll so angeblich bis zu 14 Stunden in nächtlicher Ruhe verbracht haben und revolutionierte die Wissenschaft durch die Entwicklung der Relativitätstheorie.
Gravierend jedoch sind die Auswirkung eines chronischen Schlafmangels Körperliche und geistige Leistungseinbußen sind nicht selten Ursache fataler Katastrophen der vergangenen Jahre. Nicht ohne Grund fordern Wissenschaftler nach der Anerkennung von Schlaf als lebenswichtiges und zentrales Grundbedürfnis.
Schlaf und Lebensalter
Als einer vieler Faktoren bestimmt auch das Lebensalter über unser individuelles Schlafverhalten. So unterscheiden sich etwa die Schlafbedürfnisse eines Senioren von denen eines Kindes. Im Zuge von Kindern bringt der Schulalltag zur frühen Stunde den Schlafrhythmus erheblich ins Wanken. Auch heranwachsende Jugendliche kennen diese Problematik, wenn die Pubertät mit einem erhöhten Schlafbedürfnis einhergeht.
Schlaf und äußere Einflüsse
Auf den Schlaf wirken sich zahlreiche verschiedene Faktoren aus. Hierzu zählt etwa die alljährliche Zeitumstellung zum Herbst und Frühling. Aber auch persönliche Gewohnheiten oder soziale Zwänge wie Schicht- oder Nachtarbeit können mit unseren Schlafbedürfnissen kollidieren und das Schlafverhalten aus der Balance bringen. Das Jetlag-Syndrom ist ein bekannter Vertreter, der im Zusammenhang mit Ferntourismus und dem Verlassen der gewohnten Zeitzone steht.
Schlafhygiene
Der Kaffee zum Frühstück oder ein Aperitif vor einer deftigen Mahlzeit – zahlreiche Angewohnheiten und Rituale prägen unseren Alltag. Für Menschen mit Schlafstörungen kann sich die Analyse der eigenen Alltagsrituale lohnen. Nicht selten können einige Gewohnheiten den Schlaf nachhaltig negativ beeinflussen.
Das Schlafhormon Melatonin
Das in der Zirbeldrüse bei Dunkelheit produzierte Melatonin reguliert den Tag-Nacht-Rhythmus. Es steuert direkt unsere Müdigkeit und sorgt für einen tiefen, festen Schlaf. Die körpereigene Synthese des Hormons hängt nicht nur von der Tageszeit ab. Auch im Zuge von Lichtmangel, etwa über die kalte Jahreszeit, ist die Blutkonzentration an Melatonin häufig erhöht.
Stressabwehr
Der Alltag strapaziert Körper und Geist. Nur durch regelmäßige Ruhephasen können wir die täglichen Belastungen kompensieren, der Schlaf ist somit ein notwendiger physiologischer Prozess. Im Schlaf verarbeiten wir den Stress des Vortags und erlernen unterbewusst Bewältigungsstrategien, auf die der Körper im Zuge von Konflikt- oder Stresssituation zurückgreifen kann.
Lernen im Schlaf
Schlaf sei für einige Areale des Hirns keine Leichtigkeit, behaupten amerikanische Neurowissenschaftler. Gewisse Regionen weisen bei schlafenden Personen nach dem Erlernen einer neuen Fähigkeit eine große Aktivität auf. Im Schlaf scheinen sich demnach Fertigkeiten zu festigen
Der Schlaf vor Mitternacht
Das Mär vom besonders wertvollen Schlaf vor Mitternacht ist längst widerlegt. Viel wichtiger als die tatsächliche Uhrzeit des Schlafs ist die eigentliche Qualität der Schlafsession.
Referenzen
- Die Nonstop-Gesellschaft und ihr Preis. Vom Zeitmissbrauch zur Zeitkultur (Barbara Adam & Karlheinz A. Geißler)
Matthias Böhm
Matthias setzt sich leidenschaftlich dafür ein, Menschen mit Informationen zu versorgen, die sie nutzen können, um sinnvolle Entscheidungen über ihre Gesundheit zu treffen. Als wissenschaftlicher Autor hat er mehr als ein Jahrzehnt damit verbracht, Patient*innen, Betreur*innen und Fachleute mit qualitativ hochwertigen, faktenbasierten Informationen zu versorgen und diese zu verfassen. Wenn er nicht gerade schreibt, kocht Matthias gerne vegetarisch, wandert und schläft gerne aus.